Ev. Gymnasium Werther (EGW)
Für das Jahr 1869 nennt die Schulchronik der Volksschule Werther die Einführung einer weiterführenden Klasse („Selecta“). Dort wurde in den folgenden Jahren ein intensiverer Unterricht gewährleistet werden. 1879 wurde ein 5. Lehrer berufen, der für die Schüler der weiterführenden Klasse fremdsprachlichen Unterricht gewährleisten konnte. Damit hatte die lokale Schulbehörde den Wertheranern einen vorgymnasialen Bildungsgang geschenkt.
Private Familienschule
Am 19. Oktober 1885 wurde dem „Candidaten des höheren Schulamtes, A. Husemann aus Schötmar, die Unterrichtserlaubnis für die ‚Privat Familienschule zu Werther‘ erteilt“. Bereits 1886 wurden Selecta und Privatschule zusammengelegt, wie die Anstellung eines Privatlehrers (!) durch den Schulvorstand Werther beweist. Diese Zusammenlegung war allerdings rechtlich problematisch und rief 1890 die Schulaufsichtsbehörde auf den Plan. Nach dem einschlägigen preußischen Schulreglement (Staats-Ministerial-Instruction vom 31.12.1839) war es nicht zulässig, dass ein Privatlehrer an einer öffentlichen Stadtschule unterrichtete. Allerdings konnte der Wertheraner Ortsschulinspektor Kuhlmann belegen, dass die Selcta bereits eine eigenständige Privatschule bilde und der Lehrer von den Eltern alleine besoldet werde. Für die Verbindung mit der Stadtschule wurde eine Lösung gefunden, die die Schulaufsichtsbehörde mit der Verfügung vom 22.11.1890 ausdrücklich anerkannte: In der Folge fand der Unterricht in der Stadtschule genau in den nicht vom Lehrer der Privatschule erteilten Fächer statt.
1896 wurde neben einem (wohl dem) ersten Schulstatut auch eine Schulordnung für die Privatschule erlassen, die auch schon das evangelisch im Namen trug: Schulordnung der evangelischen Privatschule zu Werther. Mit dem Schuljahr 1907/1908 wurde die Selecta an der Volksschule formal aufgelöst und damit auch die Kooperation mit der Privatschule aufgekündigt. Innerhalb der Stadtschule hatte sich über die Jahre das Niveau zwischen Selecta und den „normalen“ soweit angeglichen, dass die Erhebung von Schulgeld und die Privilegierung der Selecta nicht mehr zu begründen war.
höhere Privatschule
Die jetzt „Ev. Höhere Privatschule zu Werther i. W.“ genannte Schule konkretisierte in der Folge die weitere Schulorganisation und –entwicklung und arbeitete neue Statuten aus, die am 2. Januar 1909 mit der Privatschulsatzung in Kraft traten. Der Zusatz evangelisch bedeutete schon damals – wie auch heute – keinen Ausschluss anderer Konfessionen und Glaubensrichtung, während die Aufnahme allerdings von einer zweitägigen Prüfung abhängig gemacht wurde. Die Schulträgerschaft lag nach einem Beschluss der Interessentenversammlung von 1908 „in den Händen eines auf drei Jahre gewählten Konsistoriums, bestehend aus dem ortsansässigen Geistlichen als Vorsitzendem […], dem Leiter der Schule (als Schriftführer) sowie drei von den Eltern gewählten Mitgliedern (darunter ein Rechnungsführer)“. Die Schüler saßen in der Regel geschlechtergetrennt. In den Anfangsjahren herrschte eine große Fluktuation unter den Lehkräften, die u.a. in der schlechten Besoldung begründet liegen dürfte. Bis in die 1920er Jahre lag die Schülerzahl der Privatschule in der Regel bei 30 bis 40 SchülerInnen. Der Unterricht fand zunächst in der ehemaligen Alten Post, einem Gebäude des Sattlermeisters Landwehr, statt, bevor 1920 im Konfirmandenhaus der Kirchengemeinde zwei Räume mietfrei bezogen werden konnten.
Im Jahr 1923 traten die Lehrerinnen Lotte Dedert und Lotte Niemeyer ihren Dienst an. Schnell wuchs die Schülerzahl auf etwa 50 an, die in vier Klassen unterteilt waren. Der Übergang in weiterführende (und staatliche) Schulen nach Bielefeld musste durch schriftliche und mündliche Prüfungen bewerkstelligt werden, bis 1940 das Schulkollegium Münster der ev. höheren Privatschule die Anerkennung aussprach, die sich im Namen Zubringeschule Werther, Oberschule für Jungen niederschlug. Im Laufe des 2. Weltkrieges wurden in den Räumen an der Tiefenstraße über 200 Kinder von 5 Lehrkräften unterrichtet. Während der Zeit des Nationalsozialismus konnte sich die Schule interessanterweise der Gleichschaltung vewehren, was u.U. durch den Status als Zubringerschule für das Helmholtz-Gymnasium in Bielefeld gelegen haben könnte, das gleichgeschaltet wurde.
Schulneubau nach dem Krieg und Weg zum Vollgymnasium
Nach dem Kriegsende konnte der Schulbetrieb 1947 nach erfolgreichem Entnazifizierungsverfahren wieder aufgenommen werden. Aufgrund der Flüchtlingsströme kam es schnell zu räumlichen Engpässen, sodass unter maßgeblicher Mitwirkung des Superintendenten Heuer, der seit 1929 offizieller Leiter und Kuratoriumsvorsitzender der Schule war, ein Schulneubau geplant wurde. 1953 wurde am Mehrkamp durch Schulverein und die ev. Kirchengemeinde Werther ein Schulneubau errichtet, was zu einem Anstieg der Schülerzahlen bis auf knapp 100 führte. Mit den Pensionierungen von Lotte Niemeyer und Lotte Dedert 1960/1961 ging eine für die Entwicklung der Schule wichtige Ära zuende.
Die Schulträgerschaft ging 1961 auf die ev. Kirchengemeinde Werther über und der Schul- wurde zum Förderverein. 1962/63 wurde die Schule aufgestockt, neu hinzu kamen Obertertia und Untersekunda (heute Jahrgang 9 und 10), und es wurde eine Tagesschule nach englischem Vorbild eingerichtet. Bereits bald wurde der Wunsch der Wertheraner nach einer „kompletten“ Schule deutlich. Risiken finanzieller Art führten 1973 zur Rückgabe der Trägerschaft durch die Kirchengemeinde. Die nun drohende Schließung konnte durch die Übernahme der Schulträgerschaft durch den Schulverein Werther verhindert werden, während die Kirchengemeinde einen ständigen Sitz im Schulvorstand behielt.
Nach einer langen Zeit ging der Wunsch nach einem Vollgymnasium 1987/88 mit der Einrichtung einer 11. Klasse in Erfüllung, sodass 1990 die ersten Abiturienten das Ev. Gymnasium Werther verlassen konnten.
4 Treffer
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