Albert Schmidt (1893 - 1945)

Albert Schmidt (1930)
Quelle: LkA EKvW 25 F Nr. 318

Albert Schmidt (*1. August 1893 in Hagen (Westf.); † 20. November 1945 in Werther (Westf.)) war ein evangelischer Pfarrer und Politiker in der ersten Hälfte des 20, Jahrhunderts. Er wirkte in der Zeit der Weimarer Republik, wo er auch Reichstagsabgeordneter war, und im Nationalsozialismus, wo er politisch verfolgt wurde und an den Spätfolgen der Haft kurz nach Kriegsende starb. 
Von 1940 bis 1945 wirkte er als Pfarrer in Werther, wo er auch seine letzte Ruhestätte gefunden hat.

Albert Schmidt, geboren am 1. August 1893 in Hagen (Westf.), entstammte einem kleinbürgerlichen Elternhaus - sein Vater war Metzgermeister. Schmidt besuchte das Gymnasium, wo er aufgrund seiner "niederen" Herkunft Demütigungen erfährt. Durch einen Schülerbibelkreis, der ihn geistlich wie intellektuell forderte, gewann er Selbstbewusstsein und Klarheit für seine berufliche Zukunft.

Ende 1913 schrieb er sich in Bonn für das Studium der Evangelischen Theologie ein. Der glühende Patriot meldete sich im August 1914 - direkt nach Ausbruch des Krieges - aber sogleich als Freiwilliger. Trotz seines „niederen Standes“ und zeitweiser Ausmusterung stieg er bis zum Offizier auf. Gegen Kriegsende noch verwundet und hochdekoriert mit dem Eisernen Kreuz Erster und Zweiter Klasse, übernahm er in den Revolutionswirren politische Verantwortung in einem Soldatenrat und war in dieser Funktion an der Konstituierung der provisorischen Reichsregierung unter Friedrich Ebert beteiligt.

Bereits zum Jahreswechsel 1918/19 führte Schmidt sein Studium fort und beendete es 1922 mit dem Lizentiat (Promotion). Er wirkte erst als Vikar in Witten, dann als Gemeindepfarrer im Arbeitermilieu von Bottrop und schließlich von 1926 an in Bochum. Während dieser Jahre floss in seine stramm nationale Gesinnung auch ein immer stärkeres sozial(istisch)es Element ein, das ihn der rechtsliberalen DVP Gustav Stresemanns – ihr gehörte er bereits seit Dezember 1918 an – so entfremdet, dass er 1928 aus ihr austritt. Fortan galt sein politisches Engagement dem neu gegründeten Christlich-Sozialen Volksdienst (CSVD), der sich als protestantisches Gegengewicht zur katholischen Zentrumspartei zu etablieren versucht. Für den CSVD war Schmidt von 1924 bis 1926 Stadtverordneter in Bottrop und gehörte von 1929 bis 1933 dem Provinziallandtag und dem Provinzialausschuss Westfalen als Mitglied an. In den Jahren 1930 bis 1933 vertrat er als Abgeordneter den Evangelischen Volksdienst (EVD) im Reichstag.

Während der gesamten Zeit der Weimarer Republik profilierte sich Albert Schmidt mit gleicher Hingabe als politischer Theologe wie als evangelischer Politiker. Seine vaterländisch-völkische Grundorientierung, sein Leiden unter der „Schmach von Versailles“, eine tiefe Skepsis (allerdings nicht Ablehnung) gegenüber der parlamentarischen Demokratie, allgemeine judenfeindliche Ressentiments und der preußische Antikatholizismus ließen ihn zwar durchaus gewisse Sympathien für den aufkommenden Nationalsozialismus empfinden; gleichwohl hielt ihn sein entschieden christliches Selbstverständnis auf kritische Distanz zur NSDAP.

Schon bald nach Hitlers „Machtergreifung“ meldete er sich zu Wort, um den SA-Terror, die Gleichschaltung besonders der Deutschen Evangelischen Kirche und die Irrlehre der sog. Deutschen Christen öffentlich anzuprangern. Seine mutigen Gottesdienste, in denen er später für verfolgte Amtsbrüder wie Martin Niemöller oder Paul Schneider betete, brachten ihn Ende 1938 selbst für fünf Wochen ins Gefängnis.

Denn als nach der Reichspogromnacht 1938 sein Freund und (judenchristlicher) Pfarrer Hans Ehrenberg verhaftet wurde, hielt Schmidt am 13. Nov., Buß- und Bettag den Gottesdienst, Obwohl Schmidt sah, dass unter der versammelten Gemeinde auch - wie häufig in seinen Gottesdiensten - Gestapo-Beamte sind, wies er nach seiner Predigt auf die Verhaftung Ehrenbergs hin und rief die Gemeinde zum Gedenken auf. Direkt nach dem Gottesdienst wurde Schmidt noch in der Sakristei verhaftet und in das Bochumer Gestapo- Gefängnis „Steinwache" gebracht.

Die Haft markierte eine Lebenswende, gesundheitlich wie beruflich. Auf seinen schweren Diabetes wurde dort keinerlei Rücksicht genommen, was ihn an den Rand des körperlichen Zusammenbruchs führte. Nach seiner Haftentlassung war er ein schwerkranker Mann. Selbst anschließende Kuren konnten nicht mehr verhindern, dass er fortan mit starken Beeinträchtigungen leben musste. Zudem wurde der Ehemann und Vater von mittlerweile acht Kindern aus seiner Heimat Bochum verbannt und erhielt reichsweites Redeverbot.

Alber Schmidt kam zunächst nach Lippe in ein Sanatorium. Im August 1940 gelang es dem Wertheraner (Bekenntnis-) Pfarrer Karl Heuer den kranken Schmidt nach Werther zu holen, wo eine Pfarrstelle vakant war – mit stiller Duldung der Geheimen Staatspolizei. Im Beschluss des Wertheraner Presbyteriums heißt es dazu: "Die Gemeinde nimmt Pfarrer Lic. Schmidt mit großem Vertrauen in ihrer Mitte auf."

Es war Schmidt nicht erlaubt, die Gemeindegrenzen Werthers zu verlassen. Zur Fortbewegung war er auf eine Gehhilfe ange- wiesen, den Gottesdienst musste er weitgehend im Sitzen halten, seine Predigten aber beeinderuckten viele Menschen. Körperlich war er sehr geschwächt, seine einzige Macht war die des Wortes, durch das er im Rahmen der ihm verbliebenen Kräfte bis zu seinem frühen Tod am 20. November 1945, wirkte.

Albert Schmidt war kein Mensch, der sich einer politisch-militärischen Widerstandsgruppe hätte anschließen können. Dafür war er zu tief im (einseitig von Römer 13 bestimmten) Obrigkeitsdenken des zeitgenössischen Protestantismus verwurzelt, der nicht mit der Dämonie einer zu gottfeindlicher Gewaltherrschaft (im Sinne von Offenbarung 13) pervertierten Staatsform rechnete. Aber er war eben erst recht kein wilhelminischer Untertan à la Heinrich Mann, sondern ein selbständig denkender Geist und begabter Redner, der als Zeuge des Evangeliums beides unerschrocken in Kirche und Gesellschaft einbrachte. Sein freimütiger Widerspruch gegen die Vergewaltigung der Gewissen durch die totalitäre Machtausübung des nationalsozialistischen Weltanschauungsstaates illustriert auf beeindruckende Weise das Bibelwort:

„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ (Apostelgeschichte 5,29)

Manches von dem, für das der Prediger oder Politiker Albert Schmidt in subjektiver Wahrhaftigkeit eingestanden ist, hält heutiger Einsicht und Erfahrung nicht mehr stand, lässt einen hier und da sogar erschrecken. Viel mehr davon bleibt jedoch ein gültiges Vermächtnis für die nachfolgenden Generationen: das kompromisslos durchgehaltene christliche Ethos der Gottes- und Nächstenliebe, sein leidenschaftlicher Einsatz für die unteren Gesellschaftsschichten sowie eine unverbrüchliche Treue zu Volk und Vaterland, die er beiden auch in der Stunde des Zusammenbruchs nicht aufkündigte.

Pastor Albert Schmidt bekam im Januar 1943 zwei ukrainische Zwangsarbeiterinnen zugewiesen. Diews geht aus einem Schreiben des Landrats an das Amt Werther vom 21. Januar 1943 hervor. Es ist anzunehmen, dass Schmidt, durch seine Haft als Gegner der Nazis versehrt und nur unter Auflagen seinen Dienst tun konnte, einen Umgang mit den beiden ukrainischen Frauen hatte, der der nazideutschen „richtigen“ Einstellung zu fremdvölkischen Arbeitskräften nicht entsprach. Gerade in ländlichen Gebieten war der Umgang mit Zwangsarbeiter*innen immer wieder verhältnismäßig gut und die Personen wurden als Teil der Hausgemeinschaft angesehen und die Essensrationen wurden mit ihnen geteilt. Über den Umgang von Familie Schmidt mit den beiden Zwangsarbeiterinnen gibt es allerdings keine weiteren Informationen.

Da die Zuweisung nach einem amtlich geregelten Verfahren erfolgte, ist anzunehmen, dass es so etwas wie eine Bedarfsfeststellung gegeben haben muss, die im Falle einer „deutschen“ Familie mit 9 Kindern und einem schwerbeschädigten Vater dazu geführt hat, hier Zwangsarbeiterinnen als Haushaltshilfen einzusetzen.

Um den Sachverhalt genauer zu beleuchten müssten weitere Informationen gehoben werden:

  • Wer hat die Zuweisung in Auftrag gegeben?
  • Aus welchen Gründen wurden Schmidt die Zwangsarbeiterinnen zugewiesen?
  • Wie war der Umgang mit den beiden Frauen im Hause Schmidt?
  • Was passierte mit den beiden Frauen nach Ende des Krieges?

Es steht zu hoffen, dass sich noch Quellen zu den o.g. Fragen finden lassen.

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